Freitag, Januar 24, 2014

orange und tiefblau

Ich denke, zu dem Text von gestern muss es eine Ergänzung geben, was soll ich sagen, einen Widerruf. Denn natürlich ist Vincent so großartig, wie er nur sein kann.
Vieles an einer solchen Situation spricht für ihn. Er ist so ehrgeizig. Er will so vieles schaffen. Ich weiß noch wie er laufen lernte. Wenn er stolperte, dann musste er noch mal von vorn beginnen, immer ganz von vorn. Er ist ein Feuerkopf, aber er kann sich auch besinnen und hat mir heute immer wieder gezeigt, dass er es schafft, einen Weg zu nehmen, der Erfolg verspricht. Natürlich ist er großartig, das ist er wirklich.
Manchmal ist man nur so überrumpelt vom Leben!
Ich lass mich schnell überrumpeln. Ich lass mich aber schnell trösten und bin begeistert von dem was sich mir bietet.

Mit Vincent wird mir ganz besonders viel geboten. Eine kräftig orange Sonne in einem 
tiefblauen Meer.

Donnerstag, Januar 23, 2014

Geht es Euch gut?

Diese Frage wurde mir heute gestellt. Gerade heute. Ein Tag der gut begann und irgendwie schief abrutschte.
Nein, es war nicht das Glatteis. Die Straßen hier sind geräumt, wir haben gerade so viel Schnee, dass die Kinder die Schlitten rausholen können.
Heute ist Donnerstag. Am Donnerstag hat Vincent Therapie. Heute konnte der Papa mit ihm hinfahren und weil Vincent hinterher mit den Kindern noch rodeln wollte, ging es danach auch noch in den Kindergarten.
Am Nachmittag habe ich die Kinder abgeholt, gemeinsam rodeln gehen, gleich an dem kleinen Berg hinter dem Kindergarten. Es begann auch gut. Lisi rodelte da, wo es nicht gar so steil ist und Vincent da, wo es besonders steil ist.
Anfangs ging Vincent die Treppen neben dem Berglein nach oben, bis die anderen Jungs kamen, die den steilen Berg, der sehr rutschig ist hinaufkraxelten. Das wollte er auch und zwar an einer Stelle, wo es wirklich gar nicht geht.
Ab dem Punkt war es wie ein Dejavu.
Vincent will nur an dieser Stelle hoch, ich gehe ihm ein Stück entgegen um ihm die Hand zu reichen, nicht weit, sonst würde ich abrutschen, seine Hand reicht noch nicht heran, es fehlt ein Schritt. Es gelingt nicht. Ich versuche, ihn zu überzeugen, einen halben meter auszuweichen, da ist mehr Halt. Er will nicht, rutscht wieder weg. Er schreit, ich soll ihm gefälligst helfen. Ich versuche zu erklären, dass das an der Stelle nicht geht. Um nicht selbst vor Anspannung zu explodieren, gehe ich den Berg wieder hoch, versuche die Ruhe zu bewahren. Vincent schreit und schreit, wirft seinen Schlitten, schreit. Andere Mamas fragen mal kurz, was denn los ist, ich bekomme Glühwein angeboten...der Ruhe wegen. Es hilft nichts, ich kann es nicht ignorieren, er beginnt sich auszuziehen. Ich beschließe, mit den Kindern nach hause zu gehen. Nun schreit auch Lisi, sie will noch bleiben. Ich gehe so ruhig wie möglich zum Auto, zwei schreiende Kinder hinter mir, das eine beschimpft mich.
Die Situation ist genauso wie im letzten Jahr. Ich war in dem Moment so fertig, so enttäuscht, dass diese Situation nicht gelöst werden konnte. Vincent schreit nicht mehr ganz so wild, sagt dafür, dass er auch wie die anderen Jungs den Berg raufklettern will. Er tut mir ja auch leid, dass er es nicht schafft. Es fehlt ihm nur für einen Schritt die Körperanspannung.

Ich bin jedenfalls fix und fertig. Was kann man da machen?
Vielleicht klingt das ja normal, Kinder eben. Ich sehe aber nun mal, dass es offensichtlich nicht normal ist, dass Rodeln so endet. Voller Selbstmitleid denke ich auch: ich kann nicht mal mit ihnen rodeln gehen. Nicht in die Stadt fahren, nicht in den Park gehen, nicht in die Kirche gehen, kein Museum ansehen....nicht mal rodeln.

Das ist einfach mal ungeschönt eine Momentaufnahme. Solche Situationen sind seltener geworden. Das allermeiste ist so viel besser und händelbarer. Vor einem Jahr war diese Situation nur eine von vielen, jetzt ist es nur eine Situation. Heute habe ich mit Vincent nicht mehr darüber gesprochen. Viel zu sehr fühlt er sich von mir im Stich gelassen und ist wütend. Aber morgen müssen wir darüber sprechen, denn eigentlich würden wir ja gern mit den anderen rodeln.

Mittwoch, Januar 01, 2014

einer weniger

...einer weniger im Haus sind wir ab morgen. Friedrich geht nun endlich los, nach Hagenow zur Grundausbildung.
Heute habe ich es Vincent noch mal gesagt. er hat hat ganz schön Angst vor dem Wegsein des großen Bruders. Kurz hat er geweint und wieder kam die Frage: wennd er Friedrich Soldat wird, ist er denn noch mein Bruder? So richtig vorstellen kann er sich das alles nicht.

Im letzten halben Jahr haben Vincent und Friedrich ein sehr innige Bezierhung gefunden. Seit dem Sommer fährt Friedrich mit ihm zur Ergotherapie nach Potsdam, ist einfach viel für ihn da. Die Therapeutin hat schon nach dem ersten mal gesagt, dass Vincent viel entspannter ist, wenn er mit seinem Bruder kommt, besser teilnimmt und nicht so viel abblockt. Friedrich strahlt eine so natürliche Ruhe aus, es gibt keine Hektik und Vincent ist viel selbständiger an den Tagen mit seinem Bruder.
Ab nächste Woche übernimmt trotzdem der Opa wieder die Fahrt nach Potsdam. Mal sehen, wie lange noch.
Vincent hat sich so gut gefunden, dieses Jahr Therapie hat so viel gebracht. Er ist konzentriert beim Basteln und Arbeiten dabei, er kann sich viel besser auf neue Situationen und auf Menschen einlassen. Neben seiner Wirbelwindschwester wird er momentan als das "einfachere" Kind wahrgenommen. Nur eines finde ich ist gar nicht besser geworden, sein Laufen und Rennen.
Neben den Fehlstellungen im Beckenbereich ist auch seine Größe und sein Gewicht hinderlich. Vincent ist 5 Jahre und trägt die Größe 128/134, er ist so groß wie ein 9-jähriger Junge. Er hat gelernt, diesen Körper zu füllen mit Kraft, aber seine Bewegungsabläufe sind immer noch unrund. Dazu kommt eine Kurzatmigkeit, die wir im neuen Jahr doch noch mal untersuchen lassen werden. Er kommt sehr schnell aus der Puste und wird rot. Wirklich schnell. Eine Fahrradtour zum Bäcker beinhaltet mittlerweile eine Pause, die Strecke beträgt 500 meter.

Aber trotzdem, das Jahr hat hier viel Durchatmen, Erfolge und Freuden gebracht. Bevor wir die Therapie begonnen haben, dachte ich oft: ich verliere meinen Jungen, ich erreiche ihn nicht durch Worte, nicht durch Berührung. Diese Befürchtungen habe ich vollkommen hinter mir gelassen.
Ich lese auch mal wieder einiges zu Wahrnehmungsstörungen, denn man fällt so schnell in Verhaltensmuster zurück und muss selbst diszipliniert sein und sich immer wieder sagen, das er eben anders reagiert oder länger braucht um Dinge zu beginnen. Aber das alles ist nach außen nicht mehr sofort augenfällig. In Situationen, die ihn überfordern oder wenn er müde ist, reagiert er sichtbar auffällig.
Vincent bastelt und werkelt gern, immer schneidet und malt er etwas und gerade beim Schneiden ist er sehr geschickt. Er malt auch Menschen, was er vor der Therapie völlig ablehnte. Die Therapeutin hat Ende des Jahres einen Schultest gemacht, ich bin gespannt auf die Auswertung.

Am 18. Januar ist dann die Schulanmeldung, ich grusel mich so vor dem ganzen Procedere und hoffe, das alles klappt und Vincent dann auf der Waldorfschule eingeschult wird. Das ist eine Geschichte, die uns demnächst intensiv beschäftigen wird.

Aber morgen bringen wir erstmal den ganz Großen zum Bahnhof.